, Beatrice Bissig Odermatt

Kommunikation mit Pflanzen

Erzählen uns Pflanzen von ihrer Heilwirkung? Ein Praxistest mit Pflanzenbildern.

Was wissen wir über Kommunikation mit Pflanzen?

Dass Pflanzen als Grundlage unserer heutigen Medizin immens wichtig sind, scheint unbestritten zu sein. Pflanzen entfalten ihre wohltuende und heilende Wirkung auf den Menschen jedoch nicht nur indirekt, als Arzneimittel. Sie beeinflussen den Menschen auch mit ihrer Gegenwart positiv und können Stress vermindern, die Konzentration fördern und zu einer schnelleren Genesung beitragen. «Allein der Anblick einer Pflanze wirkt entspannend, wie entsprechende Messungen von physiologischen Parametern zeigen.» (Mancuso, 2015:44). Das interdisziplinäre Thema «Kommunikation mit Pflanzen» wird in wissenschaftlichen Kreisen kontrovers diskutiert, wobei sich seit einigen Jahren eine neue wissenschaftliche Disziplin, «Pflanzenneurobiologie», mit der Pflanzenkommunikation befasst (Scheppach, 2016:14). Mancuso leitet das Laboratorio Internazionale di Neurobiologia Vegetale an der Universität Florenz. Nicht nur Pflanzenkommunikation ist hier ein Forschungsthema, auch die Kommunikation zwischen Mensch und Pflanze – zwischen Pflanze und Mensch. Monica Gagliano wiederum forscht im Bereich evolutionäre Ökologie an der Southern Cross University in Australien. In ihren Studienarbeiten und Essays beschäftigt sie sich mit der Intelligenz der Pflanze (vgl. Gagliano, et al., 2020), sowie der Interaktion zwischen Mensch und Pflanze und Wahrnehmungen die daraus entstehen, also der Kommunikation mit Pflanzen. Aus ihrer Sicht ist ein Paradigmenwechsel in der westlichen Wissenschaft dringend nötig. Sie fordert neue Sichtweisen und ein umfassenderes und zusammenhängendes Denken in Sinne von wir sind Natur (Gagliano, 2013).

Ist Kommunikation mit Pflanzen in einer modernen Gesellschaft möglich?

In meiner Projektarbeit im Rahmen des Studienganges Ethnobotanik und Ethnomedizin an der Universität Zürich, habe ich die Frage untersucht, ob eine Kommunikation mit Pflanzen in einer modernen Gesellschaft möglich ist und im Dialog mit Heilpflanzen spezifische Antworten und Hilfestellungen zu Wohlbefinden und Heilung gefunden werden können. Analog dem digitalen Zeitalter (Kommunikation = Datenübertragung) wurden den am Praxistest teilnehmenden Personen bewusst Pflanzenfotografien aus verschiedenen Perspektiven, darunter auch Makroaufnahmen, vorgelegt. Die gemachten Notizen zu den Wahrnehmungen wurden nachfolgend aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und anhand pharmakologischer und erfahrungsmedizinischer Vergleichsliteratur ausgewertet. Zudem wurden Suggestionen wie: «Beeinflusst die Wiedererkennung der Heilpflanze auf dem Bild die Wahrnehmung und entsprechend die Formulierungen?» und «Bedarf der erfolgreiche Dialog mit Pflanzen der regelmässigen Übung?» untersucht. Im Rahmen dieser Projektarbeit wurde auch der Frage nachgegangen, ob das Zwiegespräch mit Pflanzen nur speziellen Menschen, wie Schamanen und Sehern, vorbehalten ist.

Malva Sylvestris,  Bild: Hof Neufallenbach, Fotographie: Patrick Lussi (2021)

Die Kommunikation mit Pflanzen ist für uns nicht alltäglich, zumindest verwenden wir jene Begrifflichkeit in der Regel nicht. Auf der Suche nach Testpersonen für die Projektarbeit kam oft der Einwand: «Ich glaube nicht, dass ich das kann». In unseren Köpfen scheint sich die Idee festgesetzt zu haben, dass es gewisse Voraussetzungen, gar Konditionierungen und Begabungen braucht, um mit Pflanzen «sprechen» zu können, und dass dies speziellen Menschen wie Schamanen und Sehern vorenthalten ist. Für diese Projektarbeit wurden Personen aus verschiedenen Interessens- und Berufsgruppen befragt, auch solche, die sich nicht generell mit Heilpflanzen und Gesundheit beschäftigen. Nur 2 der 22 Teilnehmerinnen gaben an, sich immer mit Heilpflanzen zu beschäftigen. Die meisten Probandinnen beschäftigen sich ab und zu oder selten bis gar nicht mit Heilpflanzen.

Der Praxistest

Den Teilnehmenden wurden zwei Pflanzen mit je vier Bildern aus verschiedenen Perspektiven gezeigt. Dies für die Dauer von jeweils drei Minuten pro Bild. Das erste Bild der Heilpflanzen war eine Makroaufnahme. Jede Testperson betrachtete auf diese Weise zwei verschiedene Heilpflanzen und insgesamt acht Bilder und machte gleichzeitig Notizen zum Erlebten auf einem vorgelegten Erfassungsbogen. Die semistrukturierte Vorgehensweise mit dem frei ausfüllbaren Erfassungsbogen einerseits, und dem strukturierten Fragebogen andererseits, ermöglichte das Zusammentragen einer grösstmöglichen Vielfalt an Informationen. Diese dienten als Basis, um die gemachten Erfahrungen der Testpersonen in einen quantitativen Kontext zu bringen und die eingangs erwähnten Fragen zu beantworten.

Bild 1 der Pflanze Plantago lanceolata: 2 von 22 Probandinnen (9 %) erkennen die Pflanze. Unter anderen wurden folgende Notizen zu diesem Bild gemacht: Antibakteriell, öffnet oberen Brustraum, kühlend, Atmung/ Lunge, Kommunikation, ich bin kurzatmig – bringe den Atem nur bis in die Brust hinunter.
Bildquelle: Plantago lanceolata, Blüte, Bild: https://www pixabay.com, Pete

Die Vergleiche der Notizen der Probandinnen mit den pharmakologischen und erfahrungs-medizinischen Wirksamkeiten der beiden Pflanzen weisen insgesamt beachtliche Übereinstimmungen auf. Zum Beispiel wurde die kühlende Wirkung von Spitzwegerich mit den treffenden Begriffen «kühlend», «Wahrnehmung im Körper – kühlend», «strahlt Kälte aus», «wie kleine kühle Tupfer», «kühlende Kussmunde» umschrieben. Zu «expektorierend/ auswurffördernd/ Atemwege» konnten Nennungen der Testpersonen wie «öffnet oberer Brustraum», «Atmung / Lunge», «schleimlösend», «nach aussen tragend», «lösend», «ich bin kurzatmig», «wohltuend in der Brust (bringt Weite rein)», «ausdehnen und sammeln und dann speichern in den Zellen war der Impuls und der ganze Körper wurde warm», «Klos im Hals», «durchatmen» zugeordnet werden. In anderen Spalten wiederum sind die Kongruenzen schwieriger zu erkennen. Der lungengewebefestigenden Wirkung von Spitzwegerich als Beispiel, konnten Notizen wie «hält zusammen», «Gefässe zusammenziehend», «festgehalten», «strukturiert», «tragend», «stabil», «Zähigkeit», «macht enger» zugeordnet werden.

Die Erkenntnis

Insbesondere bei der Betrachtung der Nennungen zu den jeweils ersten Bildern, bei denen 96 % der Probandinnen die Pflanze nicht, bzw. noch nicht erkannten, kann von Kommunikation ausgegangen werden. Die Erkenntnis, dass Kommunikation auch mit einem Bruchteil einer Pflanze (Makroaufnahme) stattfinden kann, zeigt zudem die Unwichtigkeit der botanischen und pharmakologischen Kenntnisse in Bezug auf die Pflanze auf. Es kann sogar davon ausgegangen werden, dass eine Kommunikation umso einfacher gelingt, je unvoreingenommener die Pflanze betrachtet wird. Zudem könnte dieses Faktum zur Bestätigung der Theorie beitragen, dass Kommunikation primär auch mit Mikroteilchen wie Molekülen möglich sein kann. (Narby, 2001:175).

Weder eine Affinität, botanische Kenntnisse, noch die Liebe zu Pflanzen oder Übung scheinen, laut der in dieser Studie gemachten Erkenntnisse, für die Kontaktaufnahme und Kommunikation mit Pflanzen eine Voraussetzung und damit entscheidend zu sein. Vielmehr scheint die Herausforderung bei der Wiedergabe, sowie der Deutung und Sortierung (Beobachter) der gemachten Erfahrungen zu liegen. Das Erfahrene korrespondiert in der Regel mit der eigenen Empirie und dem angeeigneten technischen Wissen in Bereichen wie Botanik, Medizin und Ethnologie. Zudem ist es genauso herausfordernd aus einer emischen Sichtweise heraus eine wertungsfreie Formulierung zu gestalten, wie auch die Zusammenhänge, vom etischen Standpunkt her, richtig zu erfassen und stimmig zuzuordnen. Gegenwärtig fehlt es an passender wissenschaftlicher Übersetzungs-Methodik und der entsprechenden Begrifflichkeit. Die erforderliche Übung, wie sie Kalbermatten (Kalbermatten, 2022) beschreibt, betrifft also vielmehr das in Worte fassen des Erlebten, als die Kommunikation zwischen Pflanzen und Mensch an sich.

Eine neue Sichtweise

Erzählen uns Pflanzen von ihrer Heilwirkung?
Zu dieser Frage sind bei den Testpersonen im Rahmen dieser Studie viele erstaunliche Wahrnehmungen und Einsichten entstanden. Auch hat diese Art der Pflanzenbetrachtung sämtlichen Probandinnen laut eigenen Aussagen Freude bereitet und ihr Wohlbefinden positiv beeinflusst.

Kommunikation mit Pflanzen kann im Rahmen einer aktiven Gesundheitsvorsorge eines jeden Einzelnen, für den modernen Menschen ein Werkzeug sein, um das persönliche Wohlbefinden zu verbessern und die Gesundheit positiv zu unterstützen.

Kommunikation mit Pflanzen schenkt den Menschen eine ungeahnt neue Sichtweise auf die Dinge und lässt sie Verbundenheit spüren.

Plantago lanceolata, Bild: Hof Neufallenbach, Fotografie: Patrick Lussi (2021)

Wie die Studienarbeit aufzeigt, ist für eine Kommunikation weder der direkte Kontakt mit der lebenden Pflanze noch deren Einnahme/ Anwendung nötig. Sie ist damit für alle und (fast) uneingeschränkt verfügbar.

Die wichtigste Voraussetzung einer gelingenden Kommunikation mit Pflanzen ist wahrscheinlich das Wollen, das Kommunizieren-Wollen. Eine Frage stellen und die Antwort hören und entgegennehmen wollen, im Sinne von sprechen und zuhören – geben und nehmen. Grundlegend ist zudem die Einsicht, dass es sich bei der Kommunikation mit Pflanzen nicht nur um Glauben handelt.

Ein Ausblick

Doch wer oder was es genau ist, der/ das kommuniziert hat, diese Frage bleibt weiterhin ungeklärt. Um dies zu erforschen, bedarf es weiterer interdisziplinärer Untersuchungen unterschiedlicher wissenschaftlicher Bereiche wie (Pflanzen-) Neurobiologie, Molekularbiologie bis hin zu Ethnologie. Mit Sicherheit können solche Untersuchungen zusammen mit Praktiker:innen themenrelevanter Fachbereiche und gemeinsam mit den Pflanzen einfacher und schneller gelingen.

Die Projektarbeit wird hier veröffentlicht und ist auf der Website des Hof Neufallenbach unter “Pflanzenwissen-Blog” zu lesen.

Über die Autorin

Beatrice Bissig-Odermatt lebt und arbeitet mit ihrer Familie inmitten der archaischen Welt des Engelbergertales. Nebst der Herstellung von traditionellen Kräuterprodukten auf dem eigenen Hof, bietet sie Fachkurse in den Bereichen Pflanzenwissen, Räuchertraditionen, Heilmittelherstellung und Kommunikation mit Pflanzen an. Sie ist Autorin, Referentin und pflegt einen 4000m2 grossen Schau- und Produktionsgarten für Heilpflanzen.

www.hof-neufallenbach.ch
@hofneufallenbach

Quellen

Calvo, P., Gagliano, M., Souza, GM., Trewavas, A. (2020) Plants are intelligent, and here is how. Annals of Botany 125: 11–8. https://doi.org/10.1093/aob/mcz155 zugegriffen am 29.10.2022.

Gagliano, M. (2013) Persons as Plants: Ecopsychology and the Return to the Dream of Nature. Landscapes: the Journal of the International Centre for Landscape and Language 5(2):1-11. In the special issue on ‘Ecological Creativity’ http://ro.ecu.edu.au/landscapes/vol5/iss2/14 zugegriffen am 29. 10 2022.

Narby, J. (2001) Die kosmische Schlange. Auf den Pfaden der Schamanen zu den Ursprüngen des modernen Wissens, Klett Cotta Verlag Stuttgart.

Kalbermatten R. (2022) Aus dem Interview von Olaf Rippe: Online Pflanzenkongress AT Verlag. Psyche des Menschen und Signatur der Heilpflanzen.

Mancuso, S., Viola, A. (2015) Die Intelligenz der Pflanzen. 11. Auflage. Verlag Kunstmann A. München.

Scheppach, J. (2016). Das geheime Bewusstsein der Pflanzen. Botschaften aus einer unbekannten Welt. Knaur Taschenbuchverlag.