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Ethnobotanik im Saas-Tal: Einen kurzen Einblick in die Geschichte der Meisterwurz

Zum ersten Mal wurde im 12. Jahrhundert im Kräuterheilkundebuch Macer floridus von der Meisterwurz als «ostruthium» erzählt. In der griechischen Literatur wurde sie nirgends eindeutig erwähnt. Darum geht man davon aus, dass sie nördlich der Alpen ihren Ursprung als Heilpflanze fand. Nebst deutschsprachigen Quellen findet man auch in den skandinavischen Regionen und auf den britischen Inseln Aufzeichnungen über die Meisterwurz.

Die Pflanze wurde früher hoch geschätzt. Paracelsus hatte zum Beispiel immer ein Stück Rhizom bei sich, für alle Fälle. Ihre Bedeutung spiegelt sich in ihren Namen wider, sie heisst Meisterwurz, Kaiserwurz oder Imperatoria (lat. «kaiserlich»), wobei sie in der Schweiz «Stränze» oder «Hoorstränze» genannt wird. Die Herkunft des Names Astrenze ist nicht ganz gewiss, es könnte sich um eine abgewandelte Form des Wortes Magistrantia (lat. «meisterlich» für Magister) handeln, welches auch in mittelalterlichen Kräuterbüchern verwendet wurde. Heute gehört der Name Astrantia einer anderen Gattung der Doldenblütler.

Hildegard von Bingen schrieb der Meisterwurz wärmende Qualitäten zu nach der galenischen Säftelehre. Sie soll innerlich wärmend und anregend wirken und gegen Fieber helfen. Der Schweizer Arzt Paracelsus aus dem 16. Jh. schrieb: «Meisterwurz ist auch der fürnehmsten Kräuter eins so zu vielen Gebrechen dienlich“. Er brauchte die Pflanze als Mittel für die Leber und gegen Gelbsucht oder als Schutz gegen die Pest. Mönch Odo von Meung bezeichnete sie im Macer floridus sogar als Universalheilmittel. Denn Sie wurde auch als Mittel bei Husten, Atembeschwerden, Zahnschmerzen und Infektionskrankheiten beschrieben. Die Blätter können direkt auf Wunden gelegt werden, wohingegen für die innerliche Anwendung das Rhizom benutzt wird als Aufguss, Tinktur oder mit Wein gekocht. Die Meisterwurz war auch ein wichtiges Mittel gegen die Maul- und Klauenseuche der Nutztiere. Schlussendlich kann man sagen, dass die Pflanze in der Volksmedizin als das beste Mittel gegen Ansteckung betrachtet wurde. Aus diesem Grunde wurde sie auch als Schutz gegenüber Hexen und anderem Übel gebraucht. So wurde sie zum Beispiel in Graubünden in der Johannisnacht ausgegraben und über den Türrahmen gelegt, um das Vieh und sich selbst vor Verhexungen zu schützen. Im Tirol wurden die Räume während der Weihnachtszeit ausgeräuchert, indem man die getrockneten Rhizome anzündete. Die Pflanze wurde auch gerne in der Pfeife geraucht.

Die Meisterwurz war einst eine hoch geachtete Heilpflanze, welche ein breites Anwendungsgebiet in der Kräuterheilkunde fand. Diese Hochachtung widerspiegelt sich auch in ihrer Verwendung als magisches Mittel gegen grosse damalige Ängste wie der Hexe oder der Pest. Heute ist in der breiten Bevölkerung die Meisterwurz als Heilpflanze in Vergessenheit geraten, trotzdem wird sie in vielen Alpenregionen noch immer geschätzt und gebraucht.

Zeichnerische Dartellung eines Rhizoms von der Meisterwurz
Tschirch, A. (1917). Handbuch der Pharmakognosie. (2.Aufl.). Leipzig, Deutschland: Verlag von Chr. Herm. Tauchnitz

Ethnobotanik im Saas-Tal: Artbeschreibung von Peucedanum ostruthium (L.) W.D.J.Koch

P .ostruthium wird bis zu 1 m hoch und ist ein mehrjähriger Hemikryptophyt (Vegetationspunkt knapp auf oder unter Erdoberfläche).

Die Blätter bestehen aus 3 gestielten Teilblättern und sitzen auf kahlen, hohlen Stielen. Die Teilblätter sind verschieden tief und oft bis zum Grund eingeschnitten, dabei sind die Abschnitte breitoval und gezähnt (Zähne oft mit weissen Spitzen). Meist sind die Blätter nur auf der Unterseite behaart.

Die Pflanze besitzt längliche mit Warzen bestückte Speicherrhizome, welche horizontal knapp unter der Erdoberfläche liegen. Durch Ausläufer bildet sich ein grosses Netz von Rhizomen, aus denen Blätter oder eine Dolde spriessen können. Ein Individuum kann dadurch bis zu mehreren Quadratmetern gross werden. Die Blätter und Rhizome verströmen einen aromatischen Geruch.

Die Doppeldolde bildet einen flachen Blütenstand, wobei die einzelnen Döldchen eher kugelig sind und allein stehen. Die Blüten sind meist weiss, selten rötlich. Die Frucht ist 4-5mm lang, rund, abgeflacht und seitlich geflügelt.

P. ostruthium wächst an feuchten, nährstoffreichen Stellen und bevorzugt schattige und kühle Standorte. Sie dominiert im Lebensraum Hochstaudenflur der Gebirge und kommt weiter auf feuchten Wiesen und an Bächen vor. Man trifft sie im gesamten Alpenraum auf der subalpinen und alpinen Stufe an.

Peucedanum ostruthium an einem Bergbach